Lebensversicherung widerrufen: Wie es geht und warum es sinnvoll ist

0

Die sinkenden Zinserträge bzw. drohende Negativzinsen belasten Sparer. Wer nun aber sein in einer Versicherung gebundenes Geld anderweitig investieren möchte, kann die Lebensversicherung widerrufen.

Lebensversicherung widerrufen: Alternative zur Kündigung

Noch heute können unter Umständen Lebensversicherungen widerrufen werden, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen wurden. Hintergrund ist, dass viele Verbraucher nicht ausreichend über ihre Rechte und Rücktrittsmöglichkeiten vom Vertrag aufgeklärt worden sind.

Damit ist der Versicherungsvertrag nicht gültig. Dabei ist der Widerspruch sogar die bessere Alternative, denn eine Kündigung des Vertrags geht in der Regel mit Verlusten einher. Bei einem Widerruf hingegen werden die eingezahlten Beiträge ausgezahlt, dazu kommen noch die erwirtschafteten Zinsen und gegebenenfalls eine Nutzungsausfallentschädigung.

Gerade beim Thema Versicherungen sind die Verbraucher häufig Irrtümern oder an Betrug grenzenden Verfahrensweisen der Versicherungen unterlegen. ( Foto: Adobe Stock - New Africa )

Gerade beim Thema Versicherungen sind die Verbraucher häufig Irrtümern oder an Betrug grenzenden Verfahrensweisen der Versicherungen unterlegen. ( Foto: Adobe Stock – New Africa )

 

So lässt sich die Lebensversicherung widerrufen (Video)

Gerade beim Thema Versicherungen sind die Verbraucher häufig Irrtümern oder an Betrug grenzenden Verfahrensweisen der Versicherungen unterlegen. Ein Beispiel: Der Versicherte zahlt brav jeden Monat seine Prämie ein. Der Lebensversicherer verbucht diese auch, aber nicht zugunsten des Versicherungsnehmers. Vielmehr deckt er erst einmal seine eigenen Ausgaben, die er jedoch auf die gesamten Jahre der Geldanlage hochgerechnet hat. Hier können schnell viele Tausend Euro zusammenkommen!

Der Versicherte steht damit praktisch im Minus und muss lange zahlen, ehe er zu seinen eigenen Gunsten ein Guthaben anlegen lassen kann. Kein Wunder, dass viele Versicherte die Nase voll haben und sich von der Lebensversicherung trennen wollen. Von einer Kündigung der Versicherung raten Experten aber ab, denn hierbei entstehen weitere Verluste. Der Versicherer würde nur die eingezahlten Prämien abzüglich der eigenen Kosten auszahlen, sodass deutlich weniger Geld ausgezahlt wird, als eigentlich in den Vertrag eingezahlt worden ist. Versicherte können jedoch die Lebensversicherung widerrufen.

Dies wird teilweise sogar ausdrücklich empfohlen, denn dank der anhaltenden Niedrigzinsphase haben sich viele Versicherer verkalkuliert. Nicht wenige mussten inzwischen Insolvenz anmelden, andere stehen unter Beaufsichtigung der Bafin. Versicherungsnehmern ist jetzt angeraten, die Lebensversicherung wegen der drohenden Pleite der Versicherer zu widerrufen.

Um die Lebensversicherung widerrufen zu können, ist es wichtig, an einen Dienstleister heranzutreten, der sich damit auskennt. Rechtsanwälte übernehmen den Widerruf nach vorheriger Prüfung. Tipp: Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte sich an einen Anwalt wenden, der über diese Versicherung abgedeckt ist, sodass keine weiteren Kosten entstehen. Vorsicht bitte bei kostenlosen Prüfangeboten.

Diese sind in der Regel eben nicht kostenfrei, die meisten Dienstleister berechnen zwischen 15 und 25 Prozent der am Ende ausgezahlten Summe. Lohnenswert ist die Prüfung eines Widerrufs dennoch, denn der Profi erkennt in den Vertragsunterlagen Widerrufsgründe, die einem Laien nicht auffallen würden. Zum Widerruf selbst können Musterformulare genutzt werden oder der Dienstleister übernimmt den Widerruf selbst.

Video: inanztipp Lebensversicherung widerrufen / verkaufen – Mein Tipp für Euer Geld! Einfach erklärt!

So lange kann die Lebensversicherung widerrufen werden

Der § 152 VVG gesteht Versicherungsnehmern ein Widerrufsrecht von 30 Tagen nach Vertragsschluss zu. Sind die zum Vertrag gehörigen Informationen nicht vollständig oder fehlerhaft, beginnt die Widerrufsfrist gar nicht erst, der Vertrag kann dementsprechend deutlich länger bzw. unbegrenzt widerrufen werden.

Mit seinem Urteil vom 7. Mai 2014 (Az.: IV ZR 76/11) sowie mit den Urteilen vom 29. Juli 2015 (Az.: IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14) hat der Bundesgerichtshof die Rechte der Verbraucher gestärkt und einen Widerrufsjoker ins Leben gerufen. Die Altverträge, die zwischen dem 29. April 1994 und dem 31. Dezember 2007 geschlossen werden, dürfen dem Urteil entsprechend widerrufen werden. Damit ist die Rückabwicklung der Lebensversicherung möglich.

Nicht immer ist der Widerruf möglich

Die Möglichkeit, das eigene Recht durchzusetzen und die Lebensversicherung widerrufen zu können, ist allerdings durch ein neues Urteil ein wenig eingeschränkt worden. Der Bundesgerichtshof hat am 10. Februar 2021 mit dem Urteil Az.: IV ZR 32/20 entschieden, dass ein Widerspruch auch rechtsmissbräuchlich sein kann. Das ist der Fall, wenn der Widerruf auf einem Formfehler aufbaut, der allerdings keinen Nachteil für den Versicherten bedeutet.

Mittlerweile folgen viele Landgerichte diesem Urteil des BGH und nehmen zudem an, dass wegen des langen Zeitraums eine Verwirkung der Rechte vorliegt. Dennoch kommt es immer auf den Einzelfall an und eine Prüfung desselben ist Voraussetzung dafür, ob sich die Lebensversicherung widerrufen lässt oder nicht.

Zumal in der Rechtswelt die Frage gestellt wird, ob ein Einwand wegen eines Rechtsmissbrauchs (Widerruf wegen Kleinigkeiten, die nicht von Nachteil für den Versicherten sind) oder eine Verwirkung in jedem Fall zulässig sein kann. Manch einer sieht darin, dass gegen geltendes europäisches Recht verstoßen wird.

Bei Verträgen, die in den 1990er Jahren geschlossen wurden, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Diese haben sich in der Regel gut entwickelt und wurden zu guten Zinssätzen angelegt.  ( Foto: Adobe Stock - fizkes )

Bei Verträgen, die in den 1990er Jahren geschlossen wurden, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Diese haben sich in der Regel gut entwickelt und wurden zu guten Zinssätzen angelegt. ( Foto: Adobe Stock – fizkes )

 

Doppelte bis dreifache Rückzahlungen bei einem Widerruf möglich?

Grundsätzlich geht es um Verträge, die in dem oben genannten Zeitraum geschlossen worden sind. Zugrunde liegt dabei das sogenannte Policen-Modell, bei dem der Versicherte die auszuhändigenden Verbraucherinformationen erst mit Ausfertigung der Versicherungspolice erhielt und nicht früher. Die Versicherung hätte dabei nach Abschluss des Vertrags alle Unterlagen zusenden müssen, eine Belehrung über einen möglichen Widerspruch wäre fällig gewesen. Da hier vielen Versicherungen Fehler unterlaufen sind, begann die Widerspruchsfrist vielfach gar nicht erst zu laufen.

Wer hingegen schon bei Übermittlung des Versicherungsantrags alle relevanten Unterlagen erhalten hat, hat eine Vertrag nach dem Antragsmodell geschlossen. Ein Widerspruchsrecht gibt es dabei nicht, vielmehr wurde ein Rücktrittsrecht eingeräumt. Für einen Rücktritt ist entscheidend, ob der Versicherer den Versicherungsnehmer unzureichend über die Rechte aufgeklärt hat.

Diese Verträge können widerrufen oder rückgängig gemacht werden (Video)

Ein ewiges Rücktrittsrecht besteht bei Verträgen nach dem Antragsmodell, wenn der Versicherte nicht ausreichend belehrt worden ist. Das kann bereits der Fall sein, wenn die Widerrufsbelehrung optisch nicht hervorgehoben wurde. Eine fehlende Fettung, Schrägstellung oder Vergrößerung der Widerrufsbelehrung kann das ewige Rücktrittsrecht begründen.

Ein Rücktritt ist auch von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen möglich, ebenso können Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen widerrufen werden. Doch Vorsicht: Mit dem Widerruf endet auch das Recht auf Leistung durch die Versicherung. Das versicherte Risiko ist dann eben nicht mehr abgesichert und sollte bei Bedarf anderweitig gesichert werden.

Video: DARUM solltest du deine Lebensversicherung verkaufen! helpcheck-Interview

So viel Geld ist für den Versicherten drin

Dass es lukrativer ist, die Lebensversicherung zu widerrufen, ist nun bekannt. Doch von welchen Beträgen dabei gesprochen wird, ist für viele Versicherte nicht klar.

Zurückgezahlt werden bei einem Widerruf:

  • eingezahlte Beiträge
  • erwirtschaftete Zinsen
  • Nutzungsersatz

Um den Nutzungsersatz zu erhalten, muss der Versicherte bzw. sein Rechtsvertreter aber nachweisen, dass die Versicherung während der Dauer des Vertrags einen Nutzen aus dem Kapital gezogen hat. Aufgrund der Strittigkeit dieser Frage verzichten viele Dienstleister darauf, den Nutzungsersatz zu verlangen. Im Gegensatz dazu zeigen sich viele Versicherer kulant, zumal sie die Sache auch kaum vor Gericht verhandeln wollen.

Eine Verhandlung würde eine negative Presse für sie bedeuten und dieser wollen sie verständlicherweise aus dem Weg gehen. Mit Urteil vom 10. Februar 2016 (Az.: IV ZR 19/15) hat der Bundesgerichtshof zudem entschieden, dass auf den Risikoanteil sowie auf die Abschluss- und Verwaltungsgebühren der Versicherung kein Nutzungsersatz zu zahlen ist. Auch bei fondsgebundenen Versicherungen ist die Sachlage ein wenig anders. Die erzielten Gewinne entstammen dem Sparanteil und stehen für den gezogenen Nutzen. Das wiederum bedeutet, dass die Versicherung keine weiteren Zinsen zahlen muss.

Die sinkenden Zinserträge bzw. drohende Negativzinsen belasten Sparer. Wer nun aber sein in einer Versicherung gebundenes Geld anderweitig investieren möchte, kann die Lebensversicherung widerrufen. ( Foto: Adobe Stock - Ray )

Die sinkenden Zinserträge bzw. drohende Negativzinsen belasten Sparer. Wer nun aber sein in einer Versicherung gebundenes Geld anderweitig investieren möchte, kann die Lebensversicherung widerrufen. ( Foto: Adobe Stock – Ray )

Bei einer Lebensversicherung, die eine zusätzliche Absicherung der Berufsunfähigkeit mit eingeschlossen hat, könnte die Rückabwicklung diese Werte zutage fördern:

  1. Eingezahlte Prämien: 35.000 Euro
  2. Ausgezahlter Betrag: 23.500 Euro
  3. Minus Risikoanteil BU: 4.000 Euro
  4. Minus Absicherung Todesfall: 2.000 Euro
  5. Zu erstattende Summe: 5.500 Euro
  6. Plus Nutzungsersatz: 1.320 Euro

Wenn nun aber ein Widerruf der Lebensversicherung vorgenommen wird, werden die eingezahlten Prämien wieder ausgezahlt. Auch die Abschluss- und Verwaltungsgebühren kommen noch dazu.

Der Versicherte erhält mindestens das Doppelte der Summe, die er bei einem Verkauf der Versicherung erhalten hätte. Tipp: Bei einer Riester-Rente kann es sein, dass sich der Widerspruch nicht lohnt. Das ist der Fall, wenn erhaltene Förderungen zurückgezahlt werden müssen. Je nach Anzahl und Alter der Kinder können über Tausend Euro pro Jahr sein. Es ist daher empfehlenswert, den aktuellen Vertragswert mit einer möglichen Rückzahlungssumme und den eingezahlten Beiträgen zu vergleichen.

Ein wichtiger Tipp zuletzt: Bei Verträgen, die in den 1990er Jahren geschlossen wurden, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Diese haben sich in der Regel gut entwickelt und wurden zu guten Zinssätzen angelegt. Außerdem werden sie häufig steuerfrei ausgezahlt und sind damit deutlich attraktiver als moderne Risikoabsicherungen. Eine solche Lebensversicherung widerrufen zu wollen, will gut überlegt sein, denn hier wird eher Sparvermögen vernichtet als gewonnen.

Lassen Sie eine Antwort hier